„Si vis pacem para pacem“ (Wenn du den Frieden willst, bereite den Frieden vor.) – unter dieser Maxime steht das Leitbild des gerechten Friedens, das in Deutschland, aber auch in großen Teilen der ökumenischen Bewegung als friedensethischer Konsens gelten kann. Damit verbunden ist ein Perspektivenwechsel: Nicht mehr der Krieg, sondern der Frieden steht im Fokus des neuen Konzeptes. So umfasst der gerechte Frieden „viel mehr als den Schutz von Menschen vor ungerechtem Einsatz von Gewalt“; er schließt „soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Sicherheit für alle Menschen“ mit ein (Ökumenischer Aufruf zum gerechten Frieden). Dennoch bleibt die Frage nach der Anwendung von Waffengewalt auch für den gerechten Frieden virulent, gilt diese nach wie vor als ultima ratio. Dabei erweist sich militärisches Handeln per se als problematisch, ist es durch das, was unter Menschen nicht sein soll, bestimmt: durch Gewalt (Klaus Ebeling).

Die EKD hat diesen Perspektivenwechsel zum gerechten Frieden einschließlich der rechtserhaltenden Gewalt vor fast zehn Jahren in ihrer Friedensdenkschrift festgeschrieben. Seitdem hat sich die Weltlage erheblich verändert: Vor fünf Jahren überraschte der „Arabische Frühling“ die Welt. Während in Libyen im Namen der Responsibility to Protect interveniert wurde, fand sie in Syrien keine Anwendung. Eine Lösung in der Region ist in weiter Ferne. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Die Frage, wie mit der Bedrohung durch den Islamischen Staat umzugehen ist, ist nach wie vor umstritten. Aber nicht nur die sogenannten nicht internationalen bewaffneten Konflikte und der transnationale Terrorismus fordern die internationale Gemeinschaft heraus, auch der Ukrainekonflikt, der gegenwärtig zwar nicht mehr im Fokus der Medien steht, ist nach wie vor existent und fordert eine gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur ein. Angesichts dieser Konflikte scheint eine zivile und vor allem gewaltfreie Konfliktbearbeitung eher ferne Vision als politische Realität. Zudem stellen qualitativ neuartige Entwicklungen – beispielsweise autonome Waffensysteme im Bereich der Rüstung oder auch der Cyberwar als eine neue Form der Kriegsführung – aktuelle Herausforderungen dar. All diese Aspekte verändern zugleich wesentliche Eckpunkte künftiger Außen- und Sicherheitspolitik. Die EKD-Denkschrift muss also auf Situationen reagieren, die sie friedensethisch nicht im Blick hatte bzw. haben konnte. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, die Analysen fortzuführen, sie um neue Problemlagen zu erweitern sowie Konkretionen vorzunehmen.

Vier interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppen sollen im Rahmen eines dreijährigen Konsultationsprozesses mit insgesamt 23 Konsultationen das in der Denkschrift entwickelte Leitbild des gerechten Friedens prüfen und weiterdenken. Ziel ist es, zentrale ethische, friedensethische sowie theologische Grundlagen zu klären, aktuelle Friedensgefährdungen und neue Problemlagen zu bestimmen sowie diese friedensethisch zu reflektieren.

Das Projekt „Orientierungswissen zum gerechten Frieden“ wird unterstützt vom Rat der EKD und gefördert von der Evangelischen Seelsorge in der Bundeswehr.